jahreswechsel im kloster beinwil

hohe winde und ankunft im kloster

30. dezember 2014

Parkieren, los geht’s, zur Strasse runter, vom Punkt 566 MüM hoch Richtung Hohe Winde 1204 MüM. Der Wald ist tief verschneit. Eindrücklich. Unterhalb der „Chienflue“ steige ich in die Schneeschuhe und stapfe durch den 20 bis 50 cm hohen pulverigen Neu-schnee. Am Anfang bin ich noch sehr mit mir beschäftigt. Fein-Koordination von Füssen und Schnee-schuhen, Stöcken und Händen, Kopf und Alltag. Endlich wieder einmal laufen. Allmählich nehme ich meine Umgebung war, in mir auf. Bleibe oft stehen, lausche, schaue, staune. Oft versuche ich das Staunen mit meinem Fotoapparat einzufangen. So viele unglaublich schöne, feine und leise „Schnee-wesen“ umgeben mich. Verliert man da den Blick auf’s Einfache. Oder ist es nur das Einfache das man plötzlich wieder sieht?

Ich merke wie ich mich vom „Mechanischen“ löse, das ungewohnte Gehen wird übergangslos Geh-wöhnlich. Mir fallen Parallelitäten zu meinem Gehen auf dem Jakobsweg ein und ich kann den „Pilger-modus“ immer noch abrufen und mich hinein-begeben. Grösstenteils ist es sehr still, schon fast leise. Der stetige Anstieg lässt meinen Atem und Puls schneller werden. Ich schwitze, obwohl es Minus Vier Grad ist. Der bequeme, breite Weg liegt lange zurück. Ich folge einem Schneeschuh-Trail. Anfänglich sah es fast so aus, als könnte die Sonne ein Loch in die Wolken blinzeln, aber es war nur ein Versuch und nun beginnt es zu schneien. Ich verliere kurz die Orientierung. Karte und Landschaft wollen nicht übereinstimmen. Müssen sie das. Muss immer alles übereinstimmen. Kann man nicht auch einfach seinem Gefühl vertrauen. Ich tue es. Die Richtung stimmt, Zeit auch, Wegweiser sind vorhanden. Also weiter. Der Weg steigt steil an, oben an der Krete schält sich ein Stall aus dem Dunst, weitere Wegweiser. “Hohe Winde”, ich bin leicht von der geplanten Route abgekommen. Ich wollte nicht bis ganz nach oben, halb so schlimm, Zeit und Sicht sind immer noch im grünen Bereich. Während dem ganzen Aufstieg war ich alleine. Keine Menschenseele weit und breit. Die Sicht reicht etwa 150 m. Der Wind klebt bizarre Schnee- und Eisgebilde an Äste und Zweige.

…„Wenn ich jetzt am Abend in meinem Kloster-zimmer schreibe und die letzten Zeilen durchlese, frage ich mich, ob ich über den heutigen Tag, über mein Leben oder übers Leben schreibe“…

Beim Abstieg kommen mir zwei Schneeschuhläufer entgegen. Wir grüssen uns und ziehen aneinander vorbei. Im Bergrestaurant „Vorderer Erzberg“ mache ich Mittagspause. Die warme Gaststube empfängt mich mit einer heimeligen Gemütlichkeit. Dunkles Holz, ein barchetes Sitzkissen auf der Bank am Fenster. Der geschmückte Weihnachtsbaum verliert bereits die ersten Nadeln. Die freundliche Wirtin serviert mir eine selbstgemachte Gemüse-suppe mit Spatz und Brot, schmeckt herrlich. Noch ein Hauskaffee, mehr braucht es nicht.

Der Rückweg führt zuerst auf einem zugewehten Wegstück über eine langgezogene Weide. Der Wind ist auch wieder da. Knietief liegt der Schnee, ohne meine Schneeschuhe und hohen Schneegamaschen wäre ich nur mühsam vorwärts gekommen. Der Wanderweg endet an einer kleinen Zubringerstrasse, die die abgelegenen Gehöfte mit der „Welt“ verbinden. An der Hauptstrasse angekommen entscheide ich mich für eine Abkürzung zum Kloster zurück. Es reicht für heute.

Im Kloster werde ich nach dem „Klingeln“ von Christoph herzlich empfangen und zu meinem Zimmer geführt. Wir gehen ins Hauptgebäude. Äussere Türe, Innere Türe, Kreuzgang, Treppenhaus. Beim Treppenantritt ist ein Schild an der Wand „Klausur“. Vor der Treppe ist ein dünnes Seil als Abschluss vorgehängt. Seil aushängen, durchgehen, Seil einhängen und da geschieht es wieder „hinter” dem Seil ist es ruhiger, dein Puls geht runter, es ist anders, besonders. Das kleine Zimmer ist warm, vertraut, die Matratze hart. Nach einer belebenden und wärmenden Dusche gehe ich ins kleine Esszimmer. Stefanie und einige Gäste sitzen bereits beim „Kaffeegespräch“. Die meisten kenne ich noch nicht, aber wir sind einander nicht fremd. Wir stellen uns kurz vor. Bis zum Abendessen um 19:00 Uhr bleibt noch Zeit um Siesta zu machen. Wir, mittlerweile elf Personen treffen uns wieder im kleinen Esszimmer im Hauptgebäude. Hier merkt man, dass der Klosteralltag stark strukturiert ist. Die einfachen Speisen und der Tee werden gemeinschaftlich auf dem Tisch verteilt. Jeder Gast nimmt sich eine Stoffserviette und einen hölzernen Serviettenring in Form eines Tieres. Irgendwie entsteht eine Sitzordnung, bzw. alle stehen hinter ihren Stühlen und warten bis der letzte Gast an seinem Platz ist. Dies und das anschliessende Essen geschieht in „Stille“, ob Morgen-, Mittag oder Abendessen. Stefanie liest ein kurzes Tisch- und Dankesgebet, dann setzen wir uns und schenken einander Tee ein, Brot, Käse, Butter und Konfitüre werden herumgereicht, dann wünscht man: „guten Appetit“ und jetzt erst wird gegessen. Wenn alle fertig sind, wird wieder ein kurzes Gebet gesprochen und man räumt den Tisch gemeinschaftlich ab und macht den Abwasch, dabei wird dann wieder „gesprochen“. Bis zum Nachtgebet zieht man sich aufs Zimmer oder in die Bibliothek zurück. Im Advent, bis zum 6. Januar findet der Nacht Komplet in der spärlich beleuchteten und kühlen Kirche statt, sonst im Untergeschoss in der Krypta. Mit dem Text-büchlein und einer Kerze setzt du dich um 21:00 Uhr in den Kirchenchor. Ich bin jetzt zum vierten Mal hier, die Räume und die Kirche wirken sehr vertraut. Die besinnlichen Texte, die geflüsterten Lieder und die Stille dazwischen wirken sehr auf uns. Beim Hinaus-gehen, stellen sich alle in eine Reihe und man wünscht sich eine gute Nacht und geht dann zu Bett. Die Männer im Brüder-Haus und die Frauen im Spiess-Haus.

jahresausklang im kloster

31. dezember 2014

Der Handy-Wecker klingelt (le petit swiss coucou). Es ist noch dunkel. Morgentoilette. Übergang von der Nacht in den Tag. Gedanken ordnen.

Wir treffen uns um 08:00 Uhr zur Morgen Laudes. Die kleinen Gläser mit den Teelichter erhellen den Raum nur punktuell. Einige halten das Licht die ganze Zeit, die kleine Flamme wärmt die Hände, öffnet die Seele und das Herz. Die Texte und die Stille finden Eingang.

Der Duft von frischen Kaffee hat bereits den Kreuz-gang erreicht. Im kleinen Esszimmer geniessen wir ein einfaches Frühstück und hören das „Tages-programm“. Heimkehrende Gäste werden mit einem kleinen Samen-Geschenk aus dem Klostergarten verabschiedet. Als ich im Zimmer meine Gedanken und Eindrücke auf Papier, bzw. Festplatte bringe, blinzelt die Sonne durchs Fenster. Heute schafft sie es, zuerst zögerlich, gegen Mittag weichen die letzten Nebelschwaden. Ich versuche die Makro- und Mikro-Landschaften in den Klostergärten einzu-fangen. Nach der Mittag Sext und dem gemeinsamen stillen Mittagessen und Abwasch gönne ich mir eine kurze Mittagspause. Am Nachmittag laufe ich vom Kloster aus Berg aufwärts, mit der Sonne im Rücken, durch den „Hexengraben“, an den Höfen „grosser und kleiner Kasten“ vorbei Richtung Hirnichopf. Da steht das verlassene Auto der Jäger die mich zuvor überholt haben. Was die heute wohl jagen? Ihre Spuren führen Richtung Chilchenwald. Eigentlich wollte ich mit den Schneeschuhen, vor dem „Hof Hirni“ zur „Sunnenweid“ absteigen. Die Tierspuren, welche vom Waldrand oben quer über den Weg führen und die Jäger unten im Wald, lassen mich auf dem Wanderweg weitergehen. Jäger und ihre Sprache verstehe ich ziemlich gut, Wildschweine dagegen weniger. Vorbei an den Höfen „Hirni“ und „Güpfi“ führt der Weg langsam Talwärts. Manchmal ist es hilfreich, wenn man Karten und Landschaft lesen kann. Oberhalb dem Neuhüsli verlasse ich den Weg mit den Schneeschuhen. Manchmal muss man Wege verlassen um sich nicht zu weit von seinem Ziel zu entfernen. Aber auch dieser Weg führt schlussendlich wieder zu einem bekannten Weg. Auch wenn er querfeldein führt.

Kurz nach vier Uhr erreiche ich das Kloster. Das Kaffeegespräch ist schon gut besetzt. Pius ist auch angekommen. Kaffee und Dusche bringen mich in die Zivilisation zurück. Das Abendessen wird ausnahmsweise im Oekonomiegebäude im grossen Essraum aufgetragen. Da ein Käsefondue auch einen „geselligen“ Hintergrund hat, gibt es diesem Abend die zweite Ausnahme: „das Stille Essen“ ist für heute Abend aufgehoben. Nach dem Essen werden die ersten Neujahrsgrüsse, nach Bern, über Lausanne, die Normandie bis nach Aachen „abgeglichen“ und das schönste ist: „wir sehen alle denselben Mond“ und „er“ sieht uns.

Nach der Nacht Komplet ziehen wir uns noch einmal zurück und vor allem „Wärmer“ an. Um 22:15 Uhr gehen wir unter der Leitung von Pius auf unseren „Silvester-Spaziergang“, Der Mond beleuchtet unsere Schritte, selbst im Wald ist es angenehm hell. Bevor wir den Rückweg antreten, lauschen wir im Wald in einer Geländekurve den wenigen Nachtgeräuschen. Der kleine Bach und die Baumwipfel erzählen uns übers ausklingende Jahr. Einfach zuhören. Wir geniessen die Ruhe und den Mond mit seinem weichen Licht. Die Frage taucht auf: „bewegt sich nun der Mond hinter der Tanne hervor, oder bewegt sich die Tanne zur Seite?“. In Gedanken versunken kehren wir zum Kloster zurück.

In der mit vielen Kerzen erleuchteten Krypta wärmen wir uns kurz auf, bevor wir in den Kreuzgang Garten gehen. Pius hat im gehauenen Brunnentrog eine Feuerschale und Holz vorbereitet. Eine Viertelstunde vor Mitternacht wird das Feuer angezündet. Dieses „Feuer-Werk“ und die Kirchenglocken geleiten uns ins neue Jahr. Ohne Böller und Sektkorken knallen. Wir stehen um das Feuer, Hans bringt uns allen eine Schale Tee. Damit stossen wir leise an und wünschen uns, unseren Angehörigen und allen Menschen auf dieser Erde, Frieden und ein gutes, erfolgreiches neues Jahr.

jahreseinklang im kloster

1. januar 2015

Zusammen gehen wir in das Schwesternhaus, in den Dachstock. Dort halten wir noch einmal ein kleines Nachtgebet, in Gedenken an die französischen Mönche in Algerien, die vor zehn Jahren ums Leben gekommen sind.

Mit einem kurzen Kopfnicken und leisen Worten verabschieden wir uns voneinander und gehen schlafen.

Ich überlasse es euch, euch vorzustellen, welche Wünsche, Hoffnungen und Gedanken uns im geschützten Kreuzgang Garten umgeben haben.

Der Handy-Wecker klingelt (le petit swiss coucou). Es ist noch dunkel. Morgentoilette. Übergang von der Nacht in den Tag. Gedanken ordnen.

Wir treffen uns um 08:00 Uhr zur Morgen Laudes. Die kleinen Gläser mit den Teelichter erhellen den Raum nur punktuell. Einige halten das Licht die ganze Zeit, die kleine Flamme wärmt die Hände, öffnet die Seele und das Herz. Die Texte und die Stille finden Eingang.

Der Duft von frischen Kaffee hat bereits den Kreuzgang erreicht. Im kleinen Esszimmer geniessen wir ein einfaches Frühstück und hören das „Tagesprogramm“. Heimkehrende Gäste werden mit einem kleinen Samen-Geschenk aus dem Klostergarten verabschiedet. Einige gehen Laufen, es wird wieder ein prachtvoller Tag. Als ich später ins „Mittelland“ fahre, sehe ich nach dem Passwang Pass bereits die Ausläufer der Nebelsuppe. Doch vorher noch einmal schreiben, am Fenster sitzen, packen. Die Anzahl der Gäste ist bei der Mittag Sext und beim Mittagessen bereits geschrumpft. Elisabeth und ich besorgen den Abwasch. Wir sind hier eben nur „zu Gast“, es gibt ein Leben ausserhalb der Kloster-mauern. Jeder Besinnlichkeit folgt wieder eine Zeit bei den Familien, Freunden und Bürokollegen. Auch hier wäre die Kunst, diese Besinnlichkeit in den All-Tag zu transportieren.

Zimmer saugen, Bettwäsche wechseln, Wäsche in die Waschküche bringen, Gepäck runtertragen. Man findet immer wieder einen Gang um den Abschied hinauszuzögern.

Letzte Verabschiedungen, wir werden uns wiedersehen. Vielleicht am nächsten „Mitarbeits-Tag“ oder auf einer Wanderung oder einfach so.

Vielen lieben Dank den Menschen in und um das Kloster.

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